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Windkraftkritiker: Darum bin ich Wutbürger

Gut 30.000 Unterschriften hat die windkraftkritische Volksinitiative „Rettet Brandenburg“ in den vergangenen sechs Monaten gesammelt. Am Donnerstag übergibt das Bündnis aus 79 Bürgerinitiativen an den Landtag. Cheforganisator Thomas Jacob spricht im MAZ-Interview über Ziele, politische Versäumnisse und Wutbürgertum.

Potsdam. Thomas Jacob, 72, ist Chef der Volksinitiative „Rettet Brandenburg“. Das landesweite Bündnis aus 79 Bürgerinitiativen übergibt dem Landtag am Donnerstag mehr als 30.000 Unterschriften gegen neue Windräder in Wohn- und Waldgebieten.

Herr Jacob, angesichts des Namens Ihrer Volksinitiative „Rettet Brandenburg“ drängt sich die Befürchtung auf, das Land stünde vor dem Untergang. Ist das nicht etwas übertrieben?

Thomas Jacob: Schauen Sie doch einfach aus dem Fenster. Das Problem ist kaum zu übersehen. Mehr als 3300 Windindustrieanlagen umzingeln unsere Dörfer und pflanzen sich mit einer Höhe von 100 Metern und mehr über die Baumwipfel.

Brandenburg ist ein weites Land mit wenigen Menschen. Was haben Sie dagegen, wenn auf zwei Prozent der Fläche Windräder stehen?

Jacob: Die Anlagen werden viel zu nah an Wohnsiedlungen gebaut. Bei empfindlichen Menschen lösen sie Herzrasen, Schlaflosigkeit und Bluthochdruck aus. Oft beträgt der Abstand zu einzelnen Häusern lediglich 500 Meter, wie in Groß Leine und Biebersdorf (Dahme-Spreewald).

Aber es gibt doch die Regel, wonach Windräder mindestens einen Kilometer von Wohnsiedlungen entfernt stehen sollten.

Jacob : Das ist lediglich eine Empfehlung und keine Vorschrift. Was fehlt, ist ein bindendes Gesetz für den Bau von Windkraftanlagen, das mit Mensch und Natur im Einklang steht. Wir haben in der Vergangenheit vorgeschlagen, neue Windräder weit entfernt von Dörfern auf ehemaligen militärischen Sperrgebieten wie der Lieberose Heide zu bauen. Aber das rechnet sich für die Investoren nicht. Sie wollen die beste Infrastruktur und kurze Wege, um die Gewinnspanne hochzuhalten. Damit setzen sie sich auch bei den politischen Entscheidungsträgern durch.

Wofür machen Sie sich stattdessen stark?

Jacob: Wir fordern die 10H-Regelung, die in Bayern bereits umgesetzt ist: Demnach soll der Mindestabstand zwischen Häusern und Windrad das Zehnfache der Höhe der Anlage von der Erde bis zur Flügelspitze betragen. Bei großen Windrädern würde das einen Abstand von zwei Kilometern bedeuten. Außerdem wehren wir uns dagegen, Windräder in Wälder zu bauen, da für jede Anlage 500 Bäume beziehungsweise 1,5 Hektar gerodet werden müssen.

Um die Akzeptanz der Energiewende nicht aufs Spiel zu setzen, stellt die SPD nun die Energiestrategie 2030 auf den Prüfstand. Man nimmt Sie offenbar ernst.

Jacob: Die Pegida-Demonstrationen standen zwar unter rassistischen Vorzeichen, aber sie haben gezeigt, dass viele Bürger über die Politik frustriert sind. Daraus keimt die Hoffnung, künftig endlich ernst genommen zu werden. Bislang hat uns die Landesregierung zwar oft angehört, aber auf die Antworten warten wir bis heute.

Wie hoch ist Ihr persönlicher Frustrationspegel?

Jacob: Ich würde niemals so weit gehen und sagen, ich wollte die DDR zurück. Aber nach 25 Jahren im Kapitalismus bin ich ernüchtert. Den Bürgern wird zu oft mit der Arroganz der Macht begegnet – in Brandenburg wurden seit 1990 von 26 Volksinitiativen 16 abgebügelt. Da kann man schon mal zum Wutbürger werden.

Die „Energiestrategie 2030“ und ihre Skeptiker

3321 Windkraftanlagen zählt der Bundesverband Windenergie in Brandenburg. Ihre Gesamtleistung ist rechnerisch so hoch wie die von vier Atomkraftwerken.

Der flächendeckende Ausbau der Windkraft ist Teil der Energiestrategie der Landesregierung. Demnach sollen erneuerbare Energien bis 2030 einen Anteil von mindestens 32 Prozent am Primärenergieverbrauch ausmachen. Dafür sollen zwei Prozent der Landesfläche als Windeignungsgebiete ausgewiesen werden.

Für den Fall eines Scheiterns ihrer Volksinitiative im Landtag planen die Organisatoren von „Rettet Brandenburg“ ein Volksbegehren.

Von Bastian Pauly

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