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Behörden reden mögliche Schall-Schäden klein

Macht der Infraschall von Windrädern krank? Die "Welt am Sonntag" berichtete über Leiden von Anwohnern in Dänemark. Nun reagieren dänische und deutsche Stellen – mit eigenwilligen Antworten.

http://www.welt.de/wirtschaft/energie/article141691937/Behoerden-reden-moegliche-Schall-Schaeden-klein.html

Foto: dpa Wie gefährlich ist Windkraft? In Dänemark wird untersucht, ob der erzeugte Infraschall gesundheitsschädlich ist

Die "Welt am Sonntag" ging in einem mehrseitigen Report, der Anfang März auch im Internet erschien und dort lebhaft diskutiert wurde, der Frage nach, ob der unhörbare Infraschall von Windkraftanlagen krank macht.

Das starke Leserinteresse erklärte sich schon allein aus der hohen Zahl betroffener Anwohner der jährlich rund 1500 neu errichteten Windkraftanlagen in Deutschland. Der Streit über die Nachbarschaftstauglichkeit der insgesamt inzwischen rund 26.000 Rotorentürme in Deutschland spaltet längst viele Gemeinden, Hunderte von Bürgerinitiativen machen Front gegen immer neue Bauprojekte in der Nähe ihrer Häuser oder inmitten ihrer Naherholungsgebiete.

Dann berichtete die "Welt am Sonntag" über die Situation in Dänemark, dem Windland Nummer eins in Europa: Dort hatten sich gesundheitliche Beschwerden von Windkraftanwohnern derart gehäuft, dass die Regierung in Kopenhagen ein Krebsforschungsinstitut mit einer Studie beauftragte, deren Ergebnis 2017 vorliegen soll.

Es geht darin um die Frage, ob der unhörbare, tieffrequente Schall, der von Windkraftanlagen ausgeht, tatsächlich gesundheitliche Schäden bei Mensch und Tier hervorruft. Viele dänische Kommunen legten ihre Windkraftplanungen auf Eis, um das Ergebnis der Untersuchung abzuwarten.

Baden-Württemberg fragt in Kopenhagen nach

Der "Welt am Sonntag"-Report über die Verhältnisse in Dänemark beunruhigte auch deutsche Umweltbehörden. Das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg übergab den "Welt am Sonntag"-Artikel der dänischen Botschaft in Berlin mit der Bitte um eine Stellungnahme. Und die reichte den ins Dänische übersetzten Text flugs weiter nach Kopenhagen.

Dass sich ausgerechnet Baden-Württemberg so sehr um mögliche Probleme beim Windkraftausbau sorgt, mag gute Gründe haben. Denn im Ländle wurden im vergangenen Jahr lediglich acht Windkraftanlagen neu errichtet. Dieser geringe Ausbau auf dem Niveau von Stadtstaaten wie Hamburg oder Bremen ist für ein Flächenland, das zudem noch von einem grünen Ministerpräsidenten regiert wird, eher peinlich. Zum Vergleich: Im kleinen Hessen, ebenfalls kein windreiches Küstenland, wurde in demselben Zeitraum die zehnfache Menge an Windkraftanlagen errichtet.

Nun muss es also schnell gehen mit der Aufholjagd in Baden-Württemberg: Ziel der Landesregierung ist es, den Anteil der Windkraft an der Stromerzeugung bis 2020 auf mindestens zehn Prozent zu steigern. Dafür sind allerdings 1000 bis 1200 neue Anlagen mittlerer Leistung erforderlich. Die Anzahl der Windkraftanlagen im Südwesten muss also innerhalb von fünf Jahren fast verdreifacht werden. Der Bericht über die ungeplante Flaute beim bisherigen Windkraft-Weltmeister Dänemark alarmierte deshalb offenbar die zuständigen Umweltpolitiker des Landes.

Inzwischen liegt die Antwort der dänischen Regierung auf die Anfrage aus Baden-Württemberg vor. Das Papier wird bereits von mehreren deutschen Umweltbehörden, wie zum Beispiel auch der Energieagentur Nordrhein-Westfalen, verteilt und veröffentlicht, denn: Die kurz gefasste Antwort der staatlichen Dänischen Energieagentur scheint den erleichternden Schluss nahezulegen, dass "die Aussagen des ,Welt'-Artikels nicht bestätigt werden können", wie die Landesanstalt für Umwelt in Baden-Württemberg (LUBW) im Internet verbreitet.

Message: Windkraft ist gesundheitlich unbedenklich, es gibt kein Problem für die Energiewende.

Dänen dementieren, was gar nicht behauptet wurde

Nur: Die Feststellung der südwestdeutschen Umweltbehörde ist eine bemerkenswert eigenwillige Auslegung des ohnehin schon eigenwilligen dänischen Regierungsstatements. Denn in dem Antwortschreiben der Dänischen Energieagentur werden die Fakten des "Welt am Sonntag"-Artikels tatsächlich gar nicht widerlegt. Vielmehr wird dementiert, was der Artikel gar nicht behauptet hatte. Zudem beantwortete die Dänische Agentur jüngste Entwicklungen mit fragwürdigen statistischen Interpretationen und Angaben aus Uralt-Gutachten.

Im Einzelnen: Die "Welt am Sonntag" hatte berichtet, dass der Ausbau der Windenergie an Land in Dänemark 2014 nahezu zum Erliegen gekommen ist, unter anderem, weil viele Kommunen ihre Windkraftplanungen für die Dauer der staatlichen Gesundheitsuntersuchung auf Eis gelegt hätten.

Die Dänische Energieagentur sieht das freilich anders: "Der Ausbau der Windkraft stagniert nicht", heißt es in dem Antwortschreiben an das deutsche Landesumweltamt. Es seien 2014 immerhin "Onshore-Windenergieanlagen mit einer Kapazität von 106 Megawatt errichtet worden".

Nun kann man sich streiten über die Definition des Wortes "stagniert", das im "Welt am Sonntag"-Bericht im Übrigen gar nicht verwendet wurde. Man kann aber auch einfach unabhängige Quellen zu Rate ziehen: Nach der offiziellen Statistik des Europäischen Windenergie-Verbandes (EWEA) ist die Ausbaurate "im früher großen Windkraftmarkt Dänemark 2014 signifikant zurückgegangen".

Windkraftanlagen auf See, weit weg von den Menschen

Nach einem Zubau von 694 Megawatt Windenergie im Jahre 2013 brach der Ausbau 2014 auf nur noch 67 Megawatt netto ein: Laut EWEA ein Rückgang um 90,4 Prozent. Die regierungsamtliche Version – oder Suggestion – einer unbeschwert davoneilenden dänischen Energiewende darf damit wohl als widerlegt gelten. Gebaut werden in Dänemark fast nur noch Windkraftanlagen auf See, weit weg von den Menschen.

Zwar gibt auch die dänische Regierungsagentur schließlich zu, dass es 2014 beim landgestützten Windkraftausbau "einen Rückgang" gegeben habe. Der könne aber "unter anderem durch veränderte Tarifbestimmungen seit dem 1. Januar 2014 begründet werden".

Nur: Von solch einer Erklärung macht der, der es wirklich wissen muss, überhaupt keinen Gebrauch: "Die Entwicklung ist zum Stillstand gekommen, weil die Kommunen das Ergebnis einer großen Gesundheitsuntersuchung abwarten und deshalb keine Erlaubnis für neue Windkraftprojekte erteilen", sagte Jan Hylleberg, Vorstandsvorsitzender des Verbandes der Dänischen Windindustrie, der Zeitung "Ingenioren".

Genauso offen hatte sich Hylleberg zuvor auch im Gespräch mit der "Welt am Sonntag" geäußert – und hatte damit jeder Versuchung widerstanden, das leidige Gesundheitsthema einfach durch Verweis auf "veränderte Tarifbestimmungen" unter den Teppich zu kehren.

Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß

Schließlich stellt die Dänische Energieagentur in ihrem Statement zum "Welt am Sonntag"-Artikel fest, dass es "anhand der existierenden wissenschaftlichen Grundlagen keinen Beleg dafür gibt, dass Windräder negative Auswirkungen für die Gesundheit haben."

Nur: Das hatte die "Welt am Sonntag" auch nie behauptet.

Tatsächlich hatte die "Welt am Sonntag" in dem Report mehrfach ausdrücklich klargestellt, dass "wissenschaftliche Beweise" für die schädliche Wirkung der Infraschall-Emissionen "noch ausstehen". Schon die Überschrift des Artikels, "Macht Windkraft krank?", war mit einem Fragezeichen versehen: ein kalkulierter Bruch journalistischer Handwerksregeln, der direkt auf die ungelöste wissenschaftliche Problemlage hinwies.

Studien und Umweltbehörden, die kein Problem mit dem Infraschall sehen, wurden von der "Welt am Sonntag" ebenso ausgiebig zitiert wie Warnungen von Medizinern und Akustikern, die von der Harmlosigkeit des Windkraftschalls nicht überzeugt sind.

Die Frage ist nur, wie man mit wissenschaftlicher Unsicherheit umgeht. Solange man nichts mit absoluter Bestimmtheit weiß – was in der Wissenschaft ohnehin selten der Fall ist –, kann man natürlich so tun, als gäbe es überhaupt kein Problem und keinen Handlungsdruck. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß: Zu dieser Sichtweise neigen offenbar sowohl die dänischen Regierungsstellen als auch deutsche Umweltbehörden. Eine bequeme Philosophie, die nicht gerade zum Erwerb neuen Wissens aufmuntert.

Was geschieht, wenn die Gesundheitswarnung kommt?

Zwar hat Kopenhagen eine mehrjährige, groß angelegte Studie über Gesundheitsgefahren der Windkraft in Auftrag gegeben. Doch als ob das Ergebnis bereits heute feststünde, befand das dänische Ministerium für Klima, Energie und Bau in einer offiziellen Erklärung, "dass die Planung von Windrädern während des Untersuchungszeitraums fortgesetzt werden kann".

Wozu dann eigentlich überhaupt noch untersuchen? Auch das deutsche Umweltbundesamt (UBA) hat inzwischen eine große Folgestudie über Infraschall-Gefahren ausgeschrieben. Das hinderte UBA-Präsidentin Maria Krautzberger jedoch nicht daran, den Bundesländern zu raten, doch bitte keine großen Mindestabstände zwischen Wohnbebauung und Windkraftanlage vorzuschreiben: Denn das könnte die deutschen Ausbauziele für Windenergie und mithin die gesamte Energiewende gefährden.

Was geschieht aber, falls am Ende der UBA-Studie oder der Untersuchung des dänischen Instituts Kraeftens Bekaempelse doch eine Gesundheitswarnung steht? Müssen die Windkraftanlagen dann wieder abgebaut werden, oder wird Bevölkerung umgesiedelt?

In dem "Welt am Sonntag"-Report waren immerhin mehrere Mediziner und Akustik-Experten zu Wort gekommen, die eine mögliche Gesundheitsgefährdung durch Infraschall nicht ausschließen wollen und dringend zu weiteren Untersuchungen raten. Zu diesen Mahnern gehören Mediziner der Ärztekammer Wien, HNO-Experten der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie Akustiker der Bergischen Universität Wuppertal, die in einer Studie für das Umweltbundesamt sogar schon mit zahlreichen Indizien und einer gewissen Dringlichkeit auf den großen Forschungsbedarf hingewiesen haben.

Umweltämter lassen sich von veraltetem Gutachten überzeugen

Auch mit dem in Dänemark landesweit bekannten Fall des Nerz-Züchters Kaj Bank Olesen geht die Dänische Energieagentur eigentümlich um: Olesen behauptet, dass sich die Tiere in den Ställen gegenseitig zum Teil tödliche Wunden zufügen, seit nur wenige Hundert Meter hinter seiner Farm Windkraftanlagen errichtet wurden. Auch die Zahl der Fehl- und Missgeburten sei drastisch gestiegen.

Die Dänische Energieagentur verweist auf ein Papier des Kompetenzzentrums für Landwirtschaft und Pelztiere. Demnach lägen keine Berichte über negative Auswirkungen auf die Produktion von Pelztieren vor. Nur: Das von der Behörde zitierte Papier stammt aus dem Jahre 2011. Der Fall Olesen konnte zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht aktenkundig geworden sein, da die Windkraftanlagen nahe der jütländischen Nerz-Zucht erst Ende 2013 errichtet worden waren.

In der Diskussion über mögliche Gesundheitsgefahren des Infraschalls aus Windkraftanlagen geht es nicht um Panikmache. Es ist tatsächlich ja möglich, dass die bestehenden Verdachtsmomente am Ende wissenschaftlich widerlegt werden.

Doch bisher erwecken deutsche und dänische Umweltbehörden nicht den Eindruck, dass sie die Sorgen und Ängste der Windkraftanwohner in dieser Frage überhaupt ernst nehmen. Die Kritiklosigkeit, mit der deutsche Landesumweltämter und Energieagenturen die eher irreführenden Ausflüchte der dänischen Regierung hinzunehmen bereit sind, spricht nicht eben für echtes Erkenntnisinteresse. Solange die betroffenen Bürger aber das Gefühl haben müssen, sie würden mit oberflächlichen Ausreden abgewimmelt, kann das für die Akzeptanz der Energiewende vor Ort keine guten Folgen haben.

Die "Welt am Sonntag" ging in einem mehrseitigen Report, der Anfang März auch im Internet erschien und dort lebhaft diskutiert wurde, der Frage nach, ob der unhörbare Infraschall von Windkraftanlagen krank macht.

Das starke Leserinteresse erklärte sich schon allein aus der hohen Zahl betroffener Anwohner der jährlich rund 1500 neu errichteten Windkraftanlagen in Deutschland. Der Streit über die Nachbarschaftstauglichkeit der insgesamt inzwischen rund 26.000 Rotorentürme in Deutschland spaltet längst viele Gemeinden, Hunderte von Bürgerinitiativen machen Front gegen immer neue Bauprojekte in der Nähe ihrer Häuser oder inmitten ihrer Naherholungsgebiete.

Dann berichtete die "Welt am Sonntag" über die Situation in Dänemark, dem Windland Nummer eins in Europa: Dort hatten sich gesundheitliche Beschwerden von Windkraftanwohnern derart gehäuft, dass die Regierung in Kopenhagen ein Krebsforschungsinstitut mit einer Studie beauftragte, deren Ergebnis 2017 vorliegen soll.

Es geht darin um die Frage, ob der unhörbare, tieffrequente Schall, der von Windkraftanlagen ausgeht, tatsächlich gesundheitliche Schäden bei Mensch und Tier hervorruft. Viele dänische Kommunen legten ihre Windkraftplanungen auf Eis, um das Ergebnis der Untersuchung abzuwarten.

Baden-Württemberg fragt in Kopenhagen nach

Der "Welt am Sonntag"-Report über die Verhältnisse in Dänemark beunruhigte auch deutsche Umweltbehörden. Das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg übergab den "Welt am Sonntag"-Artikel der dänischen Botschaft in Berlin mit der Bitte um eine Stellungnahme. Und die reichte den ins Dänische übersetzten Text flugs weiter nach Kopenhagen.

Dass sich ausgerechnet Baden-Württemberg so sehr um mögliche Probleme beim Windkraftausbau sorgt, mag gute Gründe haben. Denn im Ländle wurden im vergangenen Jahr lediglich acht Windkraftanlagen neu errichtet. Dieser geringe Ausbau auf dem Niveau von Stadtstaaten wie Hamburg oder Bremen ist für ein Flächenland, das zudem noch von einem grünen Ministerpräsidenten regiert wird, eher peinlich. Zum Vergleich: Im kleinen Hessen, ebenfalls kein windreiches Küstenland, wurde in demselben Zeitraum die zehnfache Menge an Windkraftanlagen errichtet.

Nun muss es also schnell gehen mit der Aufholjagd in Baden-Württemberg: Ziel der Landesregierung ist es, den Anteil der Windkraft an der Stromerzeugung bis 2020 auf mindestens zehn Prozent zu steigern. Dafür sind allerdings 1000 bis 1200 neue Anlagen mittlerer Leistung erforderlich. Die Anzahl der Windkraftanlagen im Südwesten muss also innerhalb von fünf Jahren fast verdreifacht werden. Der Bericht über die ungeplante Flaute beim bisherigen Windkraft-Weltmeister Dänemark alarmierte deshalb offenbar die zuständigen Umweltpolitiker des Landes.

Inzwischen liegt die Antwort der dänischen Regierung auf die Anfrage aus Baden-Württemberg vor. Das Papier wird bereits von mehreren deutschen Umweltbehörden, wie zum Beispiel auch der Energieagentur Nordrhein-Westfalen, verteilt und veröffentlicht, denn: Die kurz gefasste Antwort der staatlichen Dänischen Energieagentur scheint den erleichternden Schluss nahezulegen, dass "die Aussagen des ,Welt'-Artikels nicht bestätigt werden können", wie die Landesanstalt für Umwelt in Baden-Württemberg (LUBW) im Internet verbreitet.

Message: Windkraft ist gesundheitlich unbedenklich, es gibt kein Problem für die Energiewende.

Dänen dementieren, was gar nicht behauptet wurde

Nur: Die Feststellung der südwestdeutschen Umweltbehörde ist eine bemerkenswert eigenwillige Auslegung des ohnehin schon eigenwilligen dänischen Regierungsstatements. Denn in dem Antwortschreiben der Dänischen Energieagentur werden die Fakten des "Welt am Sonntag"-Artikels tatsächlich gar nicht widerlegt. Vielmehr wird dementiert, was der Artikel gar nicht behauptet hatte. Zudem beantwortete die Dänische Agentur jüngste Entwicklungen mit fragwürdigen statistischen Interpretationen und Angaben aus Uralt-Gutachten.

Im Einzelnen: Die "Welt am Sonntag" hatte berichtet, dass der Ausbau der Windenergie an Land in Dänemark 2014 nahezu zum Erliegen gekommen ist, unter anderem, weil viele Kommunen ihre Windkraftplanungen für die Dauer der staatlichen Gesundheitsuntersuchung auf Eis gelegt hätten.

Die Dänische Energieagentur sieht das freilich anders: "Der Ausbau der Windkraft stagniert nicht", heißt es in dem Antwortschreiben an das deutsche Landesumweltamt. Es seien 2014 immerhin "Onshore-Windenergieanlagen mit einer Kapazität von 106 Megawatt errichtet worden".

Nun kann man sich streiten über die Definition des Wortes "stagniert", das im "Welt am Sonntag"-Bericht im Übrigen gar nicht verwendet wurde. Man kann aber auch einfach unabhängige Quellen zu Rate ziehen: Nach der offiziellen Statistik des Europäischen Windenergie-Verbandes (EWEA) ist die Ausbaurate "im früher großen Windkraftmarkt Dänemark 2014 signifikant zurückgegangen".

Windkraftanlagen auf See, weit weg von den Menschen

Nach einem Zubau von 694 Megawatt Windenergie im Jahre 2013 brach der Ausbau 2014 auf nur noch 67 Megawatt netto ein: Laut EWEA ein Rückgang um 90,4 Prozent. Die regierungsamtliche Version – oder Suggestion – einer unbeschwert davoneilenden dänischen Energiewende darf damit wohl als widerlegt gelten. Gebaut werden in Dänemark fast nur noch Windkraftanlagen auf See, weit weg von den Menschen.

Zwar gibt auch die dänische Regierungsagentur schließlich zu, dass es 2014 beim landgestützten Windkraftausbau "einen Rückgang" gegeben habe. Der könne aber "unter anderem durch veränderte Tarifbestimmungen seit dem 1. Januar 2014 begründet werden".

Nur: Von solch einer Erklärung macht der, der es wirklich wissen muss, überhaupt keinen Gebrauch: "Die Entwicklung ist zum Stillstand gekommen, weil die Kommunen das Ergebnis einer großen Gesundheitsuntersuchung abwarten und deshalb keine Erlaubnis für neue Windkraftprojekte erteilen", sagte Jan Hylleberg, Vorstandsvorsitzender des Verbandes der Dänischen Windindustrie, der Zeitung "Ingenioren".

Genauso offen hatte sich Hylleberg zuvor auch im Gespräch mit der "Welt am Sonntag" geäußert – und hatte damit jeder Versuchung widerstanden, das leidige Gesundheitsthema einfach durch Verweis auf "veränderte Tarifbestimmungen" unter den Teppich zu kehren.

Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß

Schließlich stellt die Dänische Energieagentur in ihrem Statement zum "Welt am Sonntag"-Artikel fest, dass es "anhand der existierenden wissenschaftlichen Grundlagen keinen Beleg dafür gibt, dass Windräder negative Auswirkungen für die Gesundheit haben."

Nur: Das hatte die "Welt am Sonntag" auch nie behauptet.

Tatsächlich hatte die "Welt am Sonntag" in dem Report mehrfach ausdrücklich klargestellt, dass "wissenschaftliche Beweise" für die schädliche Wirkung der Infraschall-Emissionen "noch ausstehen". Schon die Überschrift des Artikels, "Macht Windkraft krank?", war mit einem Fragezeichen versehen: ein kalkulierter Bruch journalistischer Handwerksregeln, der direkt auf die ungelöste wissenschaftliche Problemlage hinwies.

Studien und Umweltbehörden, die kein Problem mit dem Infraschall sehen, wurden von der "Welt am Sonntag" ebenso ausgiebig zitiert wie Warnungen von Medizinern und Akustikern, die von der Harmlosigkeit des Windkraftschalls nicht überzeugt sind.

Die Frage ist nur, wie man mit wissenschaftlicher Unsicherheit umgeht. Solange man nichts mit absoluter Bestimmtheit weiß – was in der Wissenschaft ohnehin selten der Fall ist –, kann man natürlich so tun, als gäbe es überhaupt kein Problem und keinen Handlungsdruck. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß: Zu dieser Sichtweise neigen offenbar sowohl die dänischen Regierungsstellen als auch deutsche Umweltbehörden. Eine bequeme Philosophie, die nicht gerade zum Erwerb neuen Wissens aufmuntert.

Was geschieht, wenn die Gesundheitswarnung kommt?

Zwar hat Kopenhagen eine mehrjährige, groß angelegte Studie über Gesundheitsgefahren der Windkraft in Auftrag gegeben. Doch als ob das Ergebnis bereits heute feststünde, befand das dänische Ministerium für Klima, Energie und Bau in einer offiziellen Erklärung, "dass die Planung von Windrädern während des Untersuchungszeitraums fortgesetzt werden kann".

Wozu dann eigentlich überhaupt noch untersuchen? Auch das deutsche Umweltbundesamt (UBA) hat inzwischen eine große Folgestudie über Infraschall-Gefahren ausgeschrieben. Das hinderte UBA-Präsidentin Maria Krautzberger jedoch nicht daran, den Bundesländern zu raten, doch bitte keine großen Mindestabstände zwischen Wohnbebauung und Windkraftanlage vorzuschreiben: Denn das könnte die deutschen Ausbauziele für Windenergie und mithin die gesamte Energiewende gefährden.

Was geschieht aber, falls am Ende der UBA-Studie oder der Untersuchung des dänischen Instituts Kraeftens Bekaempelse doch eine Gesundheitswarnung steht? Müssen die Windkraftanlagen dann wieder abgebaut werden, oder wird Bevölkerung umgesiedelt?

In dem "Welt am Sonntag"-Report waren immerhin mehrere Mediziner und Akustik-Experten zu Wort gekommen, die eine mögliche Gesundheitsgefährdung durch Infraschall nicht ausschließen wollen und dringend zu weiteren Untersuchungen raten. Zu diesen Mahnern gehören Mediziner der Ärztekammer Wien, HNO-Experten der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie Akustiker der Bergischen Universität Wuppertal, die in einer Studie für das Umweltbundesamt sogar schon mit zahlreichen Indizien und einer gewissen Dringlichkeit auf den großen Forschungsbedarf hingewiesen haben.

Umweltämter lassen sich von veraltetem Gutachten überzeugen

Auch mit dem in Dänemark landesweit bekannten Fall des Nerz-Züchters Kaj Bank Olesen geht die Dänische Energieagentur eigentümlich um: Olesen behauptet, dass sich die Tiere in den Ställen gegenseitig zum Teil tödliche Wunden zufügen, seit nur wenige Hundert Meter hinter seiner Farm Windkraftanlagen errichtet wurden. Auch die Zahl der Fehl- und Missgeburten sei drastisch gestiegen.

Die Dänische Energieagentur verweist auf ein Papier des Kompetenzzentrums für Landwirtschaft und Pelztiere. Demnach lägen keine Berichte über negative Auswirkungen auf die Produktion von Pelztieren vor. Nur: Das von der Behörde zitierte Papier stammt aus dem Jahre 2011. Der Fall Olesen konnte zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht aktenkundig geworden sein, da die Windkraftanlagen nahe der jütländischen Nerz-Zucht erst Ende 2013 errichtet worden waren.

In der Diskussion über mögliche Gesundheitsgefahren des Infraschalls aus Windkraftanlagen geht es nicht um Panikmache. Es ist tatsächlich ja möglich, dass die bestehenden Verdachtsmomente am Ende wissenschaftlich widerlegt werden.

Doch bisher erwecken deutsche und dänische Umweltbehörden nicht den Eindruck, dass sie die Sorgen und Ängste der Windkraftanwohner in dieser Frage überhaupt ernst nehmen. Die Kritiklosigkeit, mit der deutsche Landesumweltämter und Energieagenturen die eher irreführenden Ausflüchte der dänischen Regierung hinzunehmen bereit sind, spricht nicht eben für echtes Erkenntnisinteresse. Solange die betroffenen Bürger aber das Gefühl haben müssen, sie würden mit oberflächlichen Ausreden abgewimmelt, kann das für die Akzeptanz der Energiewende vor Ort keine guten Folgen haben.

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